Sonnenkraft, die Wasser schafft

Wettbewerbsfähige Meerwasser-Entsalzung mit Solarenergie am Beispiel Omans

von Dr. Jauad El Kharraz | “Mediterranes” 1/2016

Überblick

Die Entsalzung von Meerwasser ist eines der vielversprechendsten Anwendungsgebiete von Sonnenenergie, da an vielen Orten der Welt Trinkwasserknappheit, Meerwasser sowie hohe Sonneneinstrahlung – neben gesunkenen Kosten in der Nutzung von Photovoltaik (PV) – als Faktoren zusammenfallen. Technologien, die durch Umwandlung von Sonnenenergie Meerwasser entsalzen können, haben daher großes Entwicklungspotenzial besonders in der Mittelmeer- und NahostRegion, wo Sonne reichlich vorhanden ist. Solar betriebene Entsalzungs-Technologien werden bezeichnet als:

• Thermische Entsalzungs-Technologien wie ST (Simple Stills), MEH (Multi Effect Humidification), MED (Multi Effect Distillation), MES (Multi Effect Solar Desalination) und MSF (Multi Stage Flush)

• Membran-Entsalzungs-Technologien wie UO (Umkehr-Osmose), UED (Umkehr-Elektro-Dialyse) und MD (Membrandestillation)

Trends zur Entsalzung mittels Sonnenenergie

Forscher richteten in den vergangenen Jahren ihr Augenmerk auf zwei verschiedene Möglichkeiten, Solarzellen mit Entsalzungs-Systemen zu verbinden – Photovoltaic-Powered Reverse Osmosis (PVRO) und Multiple-Effect Evaporation (MEE) –, mit dem Ziel

1. die Produktionskosten von demineralisiertem Wasser genau zu berechnen und herauszufinden, wie die Produktionskosten der Entsalzung mittels Sonnenkraft an die der herkömmlichen Technologien angenähert werden können, sowie

2. die Nutzung von Sonnenenergie hinsichtlich anfänglicher Investitionen und benötigter Gebiete zu beleuchten (Tabelle 1).

Tabelle 1

Entsalzungsprozesse
Solartechnologie MSF MEE MVC RO
Konzentrierte Parabolkollektoren
(solarthermoelektrische Anlage, die sowohl
Strom als auch Wärme durch eine
entsprechende Vorrichtung erzeugt)
X X X X
Flach- / Vakuumröhrenkollektor X X
Salinity Gradient Solar Pond X X
Photovoltaik (PV) X X

Im Allgemeinen sind die Produktionskosten von Wasser durch einige lokale Gegebenheiten bestimmt, wie etwa den Marktpreis von Solarsystemen, Finanzierungskonditionen, Arbeits- und Vorbehandlungskosten sowie Benzin- und Elektrizitätspreise. Die Auswahl der passenden Technologie zur Entsalzung mithilfe der Sonne (Simple Stills, Solarkollektoren, Solarbecken und Photovoltaik als alleinstehendes, netzverbundenes oder hybridbetriebenes System) hängt von vielen Faktoren ab. Diese beinhalten die Größe der Anlage, den Salzgehalt des Wassers, die Erreichbarkeit, die technische Infrastruktur sowie die Verfügbarkeit der jeweils anzuwendenden Solartechnologie und der Anbindung ans Stromnetz.

Umkehr-Osmose (Abbildung 1) und Solartechnologie gibt es schon so lange, dass ihre Funktionalität nicht mehr bewiesen werden muss. Tatsächlich gibt es bereits verschiedene Marktteilnehmer mit unterschiedlichen Konzepten. Es liegt nun am Markt, das große Potential zu erkennen, denn verglichen mit den derzeitigen netzbasierten Techniken, welche nicht immer zuverlässig sowie CO2- und kostenintensiv sind, wären Kosteneinsparungen möglich.

In Oman ist Sonnenenergie ein Schwerpunkt für den Forschungsrat, die Sultan Qaboos University, die Dhofar University und das Middle East Desalination Research Center (MEDRC) in der Hauptstadt Maskat. So wurden dort zum Beispiel Entsalzungs-Anlagen für die Provinz Duqm ausgewertet, die Technologien für solarthermische Kraftwerke (Concentrated Solar Power, CSP) verwendeten. Ein anderes Mal wurde vom Caledonian College of Engineering eine CSP-Entsalzungsanlage als Teil seiner Forschung und Entwicklung errichtet. Dieses Projekt wurde von der omanischen Regierung finanziert.

Solarthermische Entsalzungsprozesse werden in Pilotprojekten getestet und sind bisher noch nicht kommerziell verfügbar. Ein vor kurzem veröffentlichter gemeinsamer Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) und der omanischen Strom- und Wasserbehörde (PAEW) über die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen zeigte das Potenzial von Solarenergie für die Entsalzung von Wasser auf, besonders nach einer deutlichen Reduzierung der Kosten von PV-Systemen. UmkehrOsmose ist die erste Wahl für PV-Systeme, da sie nur mit Elektrizität betrieben wird. Solarthermische Entsalzungsprozesse (bei denen Hitze durch die Konzentration von Solarkollektoren entsteht) werden ebenfalls derzeit getestet. Dem genannten Bericht zufolge gibt es die Möglichkeit, solarbetriebene Pilot-Entsalzungsanlagen in ländlichen Gegenden einzusetzen. Nord-Oman und die Küste von Musandam, wo die Nachfrage nach Wasser niedrig ist und das Wasser von Entsalzungsanlagen per Schiff geliefert wird, wären wirtschaftlich sinnvoll, wenn man den Dieselpreis und die Betriebskosten der Schiffe miteinkalkulierte. Trotzdem gibt es bisher keinen speziellen Plan hierfür.

Das deutsche Institut für Technische Thermodynamik schätzt, dass der schnelle Einsatz von CSP den nicht nachhaltigen Anstieg des Wasserverbrauchs bis 2030 beenden kann. Weniger als ein Prozent der Landmasse in Nordafrika und im Nahen Osten wäre notwendig, um ausreichend Sonnenenergie für die gesamte Region zu gewinnen. Um dies zu erreichen, müssten sich die politischen Rahmenbedingungen anpassen. Dazu zählt, Zuschüsse für fossile Brennstoffe abzubauen sowie zu gemeinsamen Investitionen und länderübergreifenden Erweiterungen des Netzwerks zwischen Mittelmeer-Anrainern anzuregen. Das größte Problem von CSP (Abbildung 2) ist die Größe des benötigten Lands. Für die Meerwasser-Entsalzung müsste die Anlage in einer Küstenregion mit hoher Sonneneinstrahlung errichtet werden, wofür wiederum die meisten Küstenregionen nicht infrage kommen, da das Land hier sehr teuer ist, wobei aber Möglichkeiten für aride und semiaride Gebiete eröffnet werden.

Markt-Überblick

Das Wachstum des CSP-Geschäfts ist durch die hohe Nachfrage nach Wasser und sinkende Kosten für die Entsalzung gestärkt worden. Die Kosten für neue Projekte betragen laut der italienischen Agentur für Neue Technologien, Energie und Nachhaltige Wirtschaftliche Entwicklung (ENEA) 0,50 US-Dollar pro Kubikmeter mit Umkehr-Osmose und weniger als einen US-Dollar pro Kubikmeter mit thermischen Prozessen. Beide Preise sind nun in großen Anlagen realistisch.

Wenn wir die Kosten zwischen den verschiedenen Möglichkeiten vergleichen, können wir annehmen, dass der Referenzwert der Kosten für die Trinkwasserherstellung durch herkömmliche Entsalzung einen US-Dollar pro Kubikmeter für kleine und mittlere Entsalzungsprozesse mit Anschluss an das Stromnetz beträgt. Das typische Entsalzungs-System, welches in einer alleinstehenden Konfiguration verwendet wird, ist ein UmkehrOsmose-Prozess verbunden mit einem Dieselgenerator. Aufgrund der zusätzlichen Aufwendungen für Transport und Brennstoff-Lagerung können die Kosten für die Trinkwasserherstellung auf bis zu 1,50 US-Dollar pro Kubikmeter steigen. Wenn man aber PV mit Umkehr-Osmose verbindet, betragen die Wasserproduktionskosten zwei US-Dollar pro Kubikmeter, nutzt man MEE/SGSP (thermische Entsalzung durch Salinity Gradient Solar Ponds) betragen sie 1,50 US-Dollar pro Kubikmeter.

Fortgesetzte Innovationen werden die Entsalzungskosten von MED und Umkehr-Osmose weiter reduzieren. Während Entsalzung für CSP ein relativ kleiner Markt ist, können solarthermische Kraftwerke die große und noch wachsende Energie-Nachfrage decken. Viele neue Akteure sind in den letzten Jahren in Erscheinung getreten (Technologie-Ausstatter, Projektentwickler, Industrie usw.) und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich laufend aufgrund mehrerer Faktoren (Finanzkrise, Ölpreisschwankungen, ökologische Anliegen, Verfügbarkeit von Rohstoffen usw.). Aber einige Beschränkungen müssen nach wie vor aufgehoben werden, damit diese Option eine bedeutende Rolle dabei spielen kann, das Wasserbedürfnis in der Region nachhaltig zu befriedigen. Die Kosten für Entsalzung mittels CSP werden wahrscheinlich durch technische Innovationen, neue Materialien und Effizienzsteigerungen sinken, genau wie es der Fall war, als Umkehr-Osmose eingeführt worden war. Nachfrage und Wettbewerb unter Lieferanten werden die treibenden Kräfte für sinkende Kosten sein.

Das in San Francisco ansässige Wasserunternehmen für landwirtschaftliche und kommerzielle Nutzer WaterFX hat kürzlich verkündet, dass seine kalifornische Tochter HydroRevolution die erste kommerzielle solarbetriebene Entsalzungsanlage in diesem US-Bundesstaat plant. Diese Anlage wird letztendlich bis zu rund sechs Milliarden Liter sauberes Wasser pro Jahr produzieren – genügend Wasser für 10.000 Haushalte oder acht Quadratkilometer Anbauflächen. Die Anlage wird auf etwa 142.000 Quadratmetern errichtet werden und bisher nicht nutzbares Bewässerungswasser aus einem 28 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet in eine neue und dringend benötigte Trinkwasserquelle für umliegende Bezirke umwandeln, indem ungewollte Mineralien und Salze herausgeklärt werden. Unter Benutzung der so genannten Aqua4-Technologie kann der Entsalzungs-Prozess Trinkwasser und festes Salz ohne weitere Nebenprodukte herstellen. Das unterscheidet sie von der traditionellen Entsalzung, wo bis zu der Hälfte des Ausstoßes als Salzwasser zurück ins Meer geleitet werden müssen. Die von WaterFX entwickelten solarbetriebenen Entsalzungsanlagen benutzen solarthermische Energie, um keine mit fossilen Rohstoffen gewonnene Elektrizität zu benutzen (Abbildung 3).

Schlussfolgerungen

Die Verbindung von Sonnenenergie mit Entsalzungstechnologien wird als potenziell nachhaltiger Weg betrachtet, um das Angebot an entsalztem Wasser zu erhöhen. Dennoch hängt der wirtschaftliche Erfolg der solarbetriebenen EntsalzungsTechnologie von Verbesserungen in der Umwandlung von Sonnenenergie in elektrische und/oder thermische Energie ab, da Entsalzungsprozesse diese Arten von Energie benötigen. Der momentane Forschungsstand bietet wenig Raum für großangelegte Anwendungen der solaren Entsalzung, aber es kann im kleineren oder mittleren Maßstab in abgelegenen Regionen angewendet werden, wo das Stromnetz nicht ausgebaut ist. Unter solchen Bedingungen steigen die Wasserkosten aus konventionellen Systemen auf bis zu 1,50 US-Dollar pro Kubikmeter. Dezentralisierte solarbetriebene WasserEntsalzungs-Systeme bieten Unabhängigkeit und helfen, Preissteigerungen vonseiten der Wasserwerke zu umgehen. Es wird noch einmal zehn Jahre dauern, bis die Kosten nachhaltig gesenkt werden können. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass internationale Organisationen und Regierungen sowie die Privatwirtschaft erneuerbare Energien wie CSP für den nationalen Energiebedarf als Teil einer Langzeit-Strategie fördern, die Energiesicherheit zu erhöhen und den Treibhauseffekt zu vermindern. Nennenswerte Anstrengungen für Forschung und Entwicklung werden von den Regierungen in der Mittelmeer- und Nahost-Region – darunter Algerien, Saudi-Arabien, Bahrain, Oman, Marokko, Tunesien, Katar sowie die Vereinigten Arabischen Emirate – unternommen. Es gibt einen erhöhten Bedarf an Forschung über die Nutzung von Solarenergie zur Entsalzung, vor allem für die Verbesserung und Kostenreduktion kleiner solarbasierter Entsalzungssysteme.

 
 

Dieser Beitrag ist die leicht angepasste Fassung eines englischen Aufsatzes in Arab Water World (AWW) 38,12 (Dezember 2015), S. 16 18.

Übersetzung aus dem Englischen von Christoph Egbring

Dr. Jauad El Kharraz ist seit Oktober 2015 Forschungsleiter am MEDRC. Zuvor war er siebzehn Jahre lang in unterschiedlichen Positionen in Frankreich und Spanien tätig, wo er auch in Physik promovierte und ein Diplom in Unternehmensmanagement und Strategien erlangte. Schwerpunkte seiner Arbeit, die wesentlich zu mehreren EU-Projekten beitrug, sind u.a. Wassermanagement, Dürre und Wasserinformationssysteme.