„Ich war wahnsinnig beeindruckt von der Power und Leidenschaft der marokkanischen Frauen“

Ein Interview mit Andrea Bury über das Ouissal Mentoringprogramm und ihr Fairtrade-Fashionlabel

EMA: Frau Bury, was ist aus Ihnen nach Ouissal geworden?

Andrea Bury: Das ist eine gute Frage! Ich habe vor allem meine Unternehmungen weiter entwickelt. Das Anayela, ein Riad (traditionelles marokkanische Haus mit einem Innenhof oder Garten in der Mitte des Wohnhauses, Anm. der Red.) in Marrakesch, das ich mit aufgebaut habe und leite, ist jetzt auch über die Marriott-Plattform buchbar – was uns viele internationale Gäste beschert.

ABURY – ein Fairtrade-Fashionlabel – hat weitere Produkte aufgenommen und wir haben hier vor allem ein Händlernetzwerk in den letzten zwei Jahren aufgebaut. Wir re-investieren Teile der Profits über die ABURY Foundation in Potenzialentfaltung und haben unsere Vorschule im Atlasgebirge ausgebaut und wir haben die Plattform www.Portraid.org aufgebaut.

 

Wie hat die Zeit bei Ouissal Sie und eventuell auch Ihr Unternehmen beeinflusst? Konnten Sie durch das Mentoring-Programm neue Kontakte in Marokko für Ihr Unternehmen ABURY knüpfen?

Bei Ouissal dabei zu sein, war eine großartige Erfahrung. Ich war wahnsinnig beeindruckt von der Power und Leidenschaft der marokkanischen Frauen. Obwohl ich ja viel in Marokko bin, ist es trotzdem nicht einfach, Marokkanerinnen besser kennen zu lernen und Nähe zu schaffen. Das hat Ouissal ermöglicht. Es sind untereinander viele Freundschaften entstanden, die bis heute halten, das ist wirklich wunderbar!

Auch für ABURY hat es mir geholfen. Eine Frau aus Marrakesch, die als Mentee dabei war, ist Beraterin für kleine Unternehmen und sie hat den Kunsthandwerkern, mit denen wir zusammenarbeiten, geholfen, sich offiziell zu registrieren. Man sieht, Ouissal hat langfristig positive Wirkungen in persönlicher und beruflicher Hinsicht!

ABURY ist bereits an über 50 Standorten in Deutschland vertreten, unter anderem auch seit 2018 in der Shopping Mall BIKINI in Berlin. Sind noch weitere Geschäftsstandorte geplant? Eventuell auch im Ausland?

Der Shop im BIKINI Berlin ist unser einziger eigener Shop. Insgesamt haben wir jetzt aber schon ein Händlernetzwerk in Deutschland von über 70 Händlern sowie neun in Österreich, einen in Mexiko, einen in Chile und einen in Japan! Außerdem sind wir noch auf weiteren Onlineplattformen zu finden. Um ein Händlernetzwerk in einem Land aufzubauen, braucht man die richtigen Partner, Presse und ein Team; wir fokussieren uns dieses Jahr weiter auf Deutschland und Österreich und schauen dann mal weiter. Wir dachten, dass die Emirate zum Beispiel auch Potenzial hätten für uns.

Welche weiteren Produktionsländer sollen neben Marokko und den VAE gegebenenfalls noch im arabischen Raum erschlossen werden?

Für uns ist es immer sehr wichtig, persönlichen Kontakt mit den Kunsthandwerkern und den Menschen, mit denen wir arbeiten, aufzubauen. Ägypten wäre zum Beispiel ein Land, das viel Potenzial hat, genauso wie auch Tunesien. Falls das hier jemand liest, der Interesse an einer Kooperation hat, kann er oder sie sich gerne melden!

Bereits jetzt sind zwei Kollektionen marokkanischer Designer Teil Ihres Bestandes. Woher kommt Ihre Faszination für dieses Design? Sind noch weitere Kollektionen aus dem arabischen Raum für ABURY geplant?

Ein Ziel ist es für uns, langfristige Kooperationen aufzubauen. Deswegen gibt es immer wieder neue Designs und Kollektionen aus den Ländern, mit denen wir arbeiten. Die Faszination für die Designs aus dem Arabischen liegt darin, dass sie meist sehr reich sind, manchmal für ein europäisches Auge fast etwas überfrachtet wirken. Die Herausforderung liegt darin, die beiden Welten zu verbinden. Dieses Spannungsfeld ruft die Faszination für unsere Produkte auf beiden Seiten hervor.

Darüber hinaus haben Sie mit ABURY noch eine Talk-Serie namens FAB Talks ins Leben gerufen. Dabei verbinden Sie die Fashion Talks mit Business-Networking und schaffen dadurch eine Austauschplattform für die Design- und Modeszene. Was ist der Gedanke hinter diesen Talks? Können Sie uns mehr zu dem kommenden FABTalk in Frankfurt zum Thema „Using Business as a Force for Good“ erzählen und wie Sie Themen wie CSR und Nachhaltigkeit berücksichtigen?

Die FAB Talks sind entstanden aus der Idee, Menschen mit dem gleichen Mindset und Interessen zusammenzubringen. Wir wollen die Menschen zum Nachdenken anregen und zur Diskussion! Ich veranstalte ja auch seit sieben Jahren den TEDx Marrakesh. Dort gibt es inspirierende Talks – aber nur „Bespielung von vorn“. Meine Idee mit den FAB Talks ist, eben in den Austausch zu gehen. Es gibt zwei Speaker, die aber ohne Präsentation maximal zehn Minuten reden. Und dann haben wir meist ein bis eineinhalb Stunden eine Diskussionsrunde mit dem Publikum.

Die Talks zum Thema „Using Business as a Force for Good“ veranstalten wir in Kooperation mit der BMW Foundation, die uns unterstützt. Ich bin einer der „Responsible Leaders“ der BMW Foundation und über die Talks möchten wir Beispielen von verantwortungsvollem Unternehmertum und Leadership eine Bühne geben und damit viele Unternehmer inspirieren, diesen Weg zu gehen.

Wir bieten auch unternehmensinterne Workshops an, um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man sich auf den Weg machen kann und auch die Mitarbeiter motiviert. Ich glaube, wir haben heute als Unternehmer eine globale Verantwortung für die Umwelt, aber auch die Menschen, die weltweit in den Lieferketten arbeiten.

Die Fragen stellte Yasmin Belkasmi Zamarra.

Andrea Bury studierte Wirtschaftswissenschaften und Kulturmanagement. Nach Stationen in Agenturen im In- und Ausland machte sie sich 2001 selbständig und lebt seit 2007 teilweise in Marrakesch. Dort führt sie das Riad Anayela und unterstützt lokale Kunsthandwerker mit ihrem Fairtradelabel ABURY. Mit der ABURY Foundation fördert sie mit Projekten u.a. die Potenzialentfaltung von Kindern und Frauen im Atlasgebirge.